EXTREMGEDICHTUN TERSTRASSVIELLEICHTP ERLFRITTIERTES
Artworks
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Slapstick Stage Light
Stefan Wielands “Lampen” sind kleine Bühnenbilder, dramaturgische Episoden aus bunten Acrylglasscheiben, die, sobald sie von elektrischem Licht dazu ermutigt werden, ihr physisches Dasein als Alltagsgegenstand in Frage stellen. Man ist mit der Funktion von Lampen als gewöhnliche Artefakte vertraut. Ob gut oder schlecht entworfen, sie beleuchten ihre unmittelbare Umgebung und machen Dinge sichtbar, sobald das Tageslicht schwindet. Wieland’s “Lampen” dagegen sind in diesem Kontext nicht zu finden. Sie beleuchten lediglich ihren eigenen rätselvollen Auftritt. Es gibt nur ihre hermetische Existenz. Sie machen sich das Schauspiel, das sie inszenieren, zu Eigen und definieren somit selbst Ihren Kontext und ihre Bedeutung. Untermauert wird das durch die seltsamen Namen, die Wieland seinen Kreationen gibt. Ihre Namen sind poetische Anregungen, die dem, worauf sie sich beziehen, eine Dimension verleihen, sich zugleich aber stur gegen jegliche Erklärung wehren.
Nehmen wir das Beispiel “Fernlicht für Moderne Menschen”: Drei bunte stielartige Acrylglasgewächse, die an ein schwarzes Gehäuse angebracht sind und aus dem wiederum ähnlich bunte, manchmal opake, manchmal durchsichtige Blätter, Blütenblätter und Blütenkronen aus dem verformten Plattenmaterial sprießen. Aus einem der kurzen Enden des schwarzen Unterbaus tritt eine schwarze Zunge hervor. Als wäre sie eine Entwässerungsvorrichtung für den Ausfluss des floralen Lebens auf einem Gebäude. Bei Tageslicht, wenn die “Lampe” “nur” ein Objekt ist, ist die heraustretende Zunge unübersehbar und das gesamte Ensemble der Plastikteilchen ist eine tägliche festliche Begehung der Künstlichkeit - ein kunterbunter Klamauk/Slapstick auf etwas entfernt Vertrautes. Bei Dunkelheit, dann wenn die “Lampe” ihre gebräuchliche Funktion als Lampe vortäuscht, tritt dieselbe Zunge visuell zurück und wird nebensächlich bei dem Schauspiel von Licht und Farbe, das darunter und darüber entsteht. Das schwarze Gehäuse, aus dem die floralen Acrylfiguren sprießen, ist am Boden mit versenktem roten Licht gesäumt, so dass das Objekt gespensterhaft zu schweben scheint. Die drei Stiele sind nun mit buntem Licht, aus dem Inneren kommend übersät. Oberhalb leuchten die Kanten der Blütenblätter und Blütenkronen und ihre Materialität aus Plastikscheiben ist aufgelöst und zugleich verstärkt.
Die humorvolle Mehrdeutigkeit in Wieland’s Arbeiten kommt gerade dann zum Vorschein, wenn die “Lampen” sich vom Alltäglichen, welches vermeintlich ihre Existenz einleitet, zurückziehen. Trotz ihrer minimalen Beleuchtungsstärke, ist “Fernsicht für Moderne Menschen” weder eine Lampe noch eine florale Skulptur. Ihre banale und doch seltsame Erscheinung bei Tageslicht setzt sich spielerisch dem bunten, nächtlichen Glanz entgegen. Ihr Name gibt keinen Aufschluss darüber, warum sie hier ist oder was sie sein könnte. Vielmehr wirbelt der Name das Objekt herum, ein Hin und Her vom Gewöhnlichen zum Außergewöhnlichen, das uns schließlich zu Zuschauern eines heiteren und widersinnigen Spektakels macht. Es sind irrationale und unerklärliche Figuren, die nur ganz flüchtig, für einen kurzen Moment, den Anschein von etwas Realem haben.
Die Spannung zwischen Ihrer Erscheinung bei Tag oder bei Nacht steht genau im selben Verhältnis wie ein Bühnenbild, das ohne oder mit Schauspielern bespielt wird. Tagsüber steht das Objekt bloß da, in Erwartung auf die Szenerie, die sich bei Einbruch der Dunkelheit einleitet und das Objekt zum Leben erweckt. Dennoch steht das bloße “Herumstehen” unmittelbar im Zusammenhang mit der Vorfreude auf das Schauspiel. Das Bühnenbild steht wegen seiner augenzwinkernden Künstlichkeit bereits bei Tageslicht im Widerspruch zum Alltäglichen und Gewöhnlichen. Die geschaffenen, dramaturgischen Kulissen sind für kleine Lichtspektakel gedacht, die mehr als nur ihre eigene inszenierte Existenz erleuchten. Der dem Spektakel innewohnende, subtile und surreale Humor wird dann vervollständigt, wenn der Lichtschalter betätigt wird und das illuminierte Theater seine eigene Geschichte zu erzählen beginnt. Wir sind die Zuschauer eines fabelähnlichen Klamauks, ohne spezifische Handlung, außer, dass er fortwährend die Realität neu fasst.
Johan Bettum
Slapstick Stage Light
Stefan Wieland’s “lamps” are small theatrical sets, dramaturgical episodes made of coloured, acrylic sheets that with electric light at once embolden and question themselves as everyday objects with a physical presence. As common artefacts, lamps come with the familiarity of function. Well designed or not, they shine on their immediate surrounding and make things visible when daylight wanes. Wieland’s “lamps”, on the other hand, give little to their context; they only illuminate their own enigmatic presence. Their hermitic existence is all there is; they internalise the drama that they stage and therefore context and meaning - something substantiated by the strange titles Wieland bestows on his creations. Their names are poetic propositions that add a dimension to what they refer to yet stubbornly resist explication.
For example, take ‘Fernsicht für Moderne Menschen’ (‘Distant View for Modern People’): Three colourful stalk-like acrylic tubes mounted on a black acrylic box, out of which sprouts equally colourful leaves, petals and corolla made from the same, sometimes opaque and sometimes translucent, moulded sheet material. From one of the short ends of the black base protrudes a black tongue, as if it is a drainage device for the effluence of floral life on top of a building. In daylight, when the “lamp” is “merely” an object, the protruding tongue is conspicuous and the entire ensemble of plastic parts is an everyday celebration of the artificial, a motley slapstick on something remotely familiar. However, when it is dark and the “lamp” functionally pretends to be a lamp, the same tongue visually recedes and becomes negligible against the drama of light and colour that is staged below and above. The black box, on which the floral acrylic figures are mounted, is lined at bottom with a recessed red light that makes the box eerily float. The three stalks are awash with an inner, colourful light. Above, the corolla and petal edges glow, their plastic, sheet substance at once dissolved and intensified.
The humorous ambiguity in Wieland’s work emerges precisely when the “lamps” withdraw from the everyday that supposedly prefaces their existence. Despite its antho-illuminance, ‘Fernsicht für Moderne Menschen’ is neither a lamp nor a floral sculpture. Its commonplace yet strange daytime appearance is playfully set off against its colourful, nighttime effulgence. Its title lends no clue to why it is here or what it might be. Rather, it name pulls and pushes the object around, in and out of the everyday and extraordinary, and turns us into spectators of a tiny, light-hearted and nonsensical drama. Here are irrational and inexplicable figures that tangentially and only for a moment have a semblance of the real.
The tension between daytime and nighttime appearances is precisely that between an empty stage set and the same with actors in a play. During the day the object merely sits there, anticipating the scene that will make it come alive. However, the ‘merely sitting there’ is fundamentally linked to the anticipation of the drama, and the stage set is already at odds with the commonplace and ordinary through its tongue-in-cheek toy-like artificiality. The dramaturgical sets are for tiny dramas of light that do little more than illuminate their own staged presence. The inherent, subtile and surreal humour is complete when the light is turned on and the illuminated theatre offers no more than a story for itself. We are the audience in a slapstick tale with no storyline other than the continuous recasting of reality.
Johan Bettum