Darb Barbara?
Artworks
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Die Arbeiten von Frank Brechter verhalten sich wie ein Oxymoron: Sie sind bittersüß. Der oder die Betrachter*in wird beim Betreten der Galerie PHILIPP PFLUG CONTEMPORARY sofort in ihren Bann gezogen. Brechters Technik ist so präzise, so fein ausgearbeitet, dass man meinen könnte, bei den Objekten handelt es sich um Originale – ein echtes Toastbrot, eine echte zerbrochene Flasche, ein echter Oktopus-Tentakel. Brechter ist ein Meister der Oberfläche und evoziert durch die überdimensionalen Objekte einen haptischen Zwang, die Arbeiten berühren zu wollen. Er spielt mit dem Moment der Authentizität, mit der perfekten Illusion und verführt uns einen Augenblick lang, in dem wir Anbeißen und unsere Sehgewohnheiten und die Vertrautheit der Alltagsgestände über Bord werfen. Ist das Toastbrot morgens beim Frühstück die eigentliche Replik? Man könnte es meinen, denn das Weißbrot ist praktisch nur eine Brot-Attrappe, ernährungstechnisch eine Todsünde. So auch die Käsescheibe bei der Arbeit „HAWAII I / II“ (2022). Die Scheibe Ananas erahnt man nur unter dem Mantel der Toastkäsescheibe: in Folie eingepackter Käse, im wahrsten Sinne des Wortes.
Die ästhetische Wirkung der Arbeiten ist allumfassend und birgt gleichzeitig einen allgemein gesellschaftlichen Imperativ. Die Arbeiten von Brechter verkörpern unsere heutige Konsum- und Wegwerfgesellschaft. Der Titel der Ausstellung „DARB BARBARA?“ offenbart eine Metaebene. Das Verb „Darben“ meint laut Duden „Mangel an etwas haben [und daher Not, Hunger leiden]“. In dem Titel eröffnen sich Fragen in Bezug auf die ausgestellten Objekte: Wer kann es sich leisten, ein Brot verschimmeln zu lassen? Ist es in Ordnung, ein verbranntes Toastbrot wegzuschmeißen? Wie gehen wir mit der abgelaufenen Milchtüte, die in der Galerie hängt, um? Und ganz allgemein: Ist das noch gut, oder kann das weg, Barbara?
Die Arbeiten evozieren eine Wertschätzung und der schöne Schein bekommt eine bittere Note, die unsere Wahrnehmung neu zusammensetzt. An der Arbeit „SCHIMMELBROT“ (2021) zerschellt unsere Illusion des Schönen, das Gesehene passt nicht mehr mit dem Abgebildeten zusammen. Schön versus ungesund. Brechter zettelt mit seinen Arbeiten eine Revolution an: Er verändert unseren Blick auf das Alltägliche, auf das, was für selbstverständlich gehalten wird. Die Assoziation zu Pop-Art bleibt nicht aus, doch lässt sich bei Brechter feststellen: Hier arbeitet der Künstler selbst ohne ein Team von zig Studio Assistent*innen. Brechters Arbeiten sind Originale, von der Idee bis hin zur Ausarbeitung durch ihn selbst, und darin liegt die Erhabenheit über uns allbekannten Objekten der Kunstgeschichte.
Schaut man durch die Galerieräume bei PPC könnte Marie-Antoinette uns ins Ohr flüstern: „Wenn ihr kein Brot habt, dann esst doch Kuchen!“. Die Assoziationskette zu den Arbeiten ist endlos. Die Arbeiten sind offen für alles. Sind wir es auch?
Theresa Weise
Frank Brechter’s artworks act as an oxymoron: They are bittersweet. Stepping into the gallery rooms of PHILIPP PFLUG CONTEMPORARY, the pieces instantly fascinate. Brechter’s technique is so precise, so finely executed, you’d almost think these are real life objects – a real slice of toast, a real broken bottle, a real octopus tentacle. Brechter is a master of the surface: his oversize objects trigger a haptic urge in us to touch them. He plays with the moment of authenticity, with the perfect illusion, and seduces us for an instance – just for a minute we to take the bait and throw our viewing habits and the familiarity of the everyday objects overboard. Is it the slice of toast at breakfast that is the actual replica? You would be forgiven for thinking so, seeing as white bread is effectively a decoy, fake food, a mortal sin in terms of nutritional values. Much like the slice of processed cheese in the piece “HAWAII I / II” (2022). We can only vaguely make out the pineapple slice underneath the cheese: garbage wrapped in plastic foil, some might say.
The aesthetic effect of the pieces is all-encompassing and simultaneously contains a universal social imperative. Brechter’s works embody our current consumer and throwaway society. The title of the exhibition “DARB BARBARA?” reveals a meta-level: the German verb “darben” translates as “suffering want”, “living in want” or “starving”. The title thus raises questions in relation to the objects on view: Who can afford to let bread go moldy? Is it ok to throw away burnt toast? How are we to deal with the carton of expired milk showcased in the gallery? And quite generally: is this still edible, or should we throw it out, Barbara?
The works evoke an appreciation, and the beautiful semblance gains a bitter aftertaste that realigns our perception. Our illusion of beauty shatters on the piece “SCHIMMELBROT” (2021), as what we see no longer matches what is shown. Beautiful versus noxious. Brechter incites a revolution with his works: He changes our view of the everyday, of what is taken for granted. While Pop Art certainly comes to mind in relation to Brechter’s works, it is important to observe that the artist works by himself, without a big team of assistants. His pieces are originals, from the idea to the execution by his own hand, and it is this which elevates them above art historical objects we all know.
Looking around the gallery space at PPC, it is almost as though we can hear Marie-Antoinette whispering in our ear: “If you don’t have bread, why don’t you eat cake?”. The chain of association triggered by these works is endless. They are open to everything. Are we?
Theresa Weise