RULES OF GENRE
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So sehr man sich an die Zuverlässigkeit seiner eigenen Sinnessicherheit klammern mag, ist die Struktur der menschlichen Wahrnehmung doch eine weitestgehend objektive Angelegenheit. Die Informationen mit denen wir konfrontiert werden sind in ihrer ganzen Heteronomie immer auch eine Konfrontierung mit Modi des Wissens, die oftmals in Klassifikationssystemen organisiert sind welche die Konturen von Wahrnehmung selbst umschreiben. Trotz dieser Tatsache bringt das Sehen eine Unzahl von Erwartungen hervor die nicht unmittelbar in der Intention von Informationsstrukturen begründet liegen muss. Wie man sieht kann nicht darauf reduziert werden was man sieht.
Unter diesem Leitmotiv zeigt die Frankfurter Künstlerin Jagoda Bednarsky (geboren 1988) ihre neuesten Arbeiten unter dem Titel “Rules of Genre”. Die systematische, institutionelle Archivierung menschlichen Wissens ist für die Städelschulabsolventin schon seit längerem ein Referenzpunkt, doch gelingt es ihr in ihrem jüngsten Werk dieses Sujet im Bereich des Visuellen weiterzuentwickeln; ein Unterfangen das implizit die Inflexibilität standardisierter Wahrnehmung hinterfragt. Wenn Klassifizierung die äußerlichen Beschränkungen von menschlichem Wissen betrifft, dann ist es der wandernde und ambitionierte Blick, der immer wieder mit den Absichten und der Ausrichtung schematisch organisierter Informationsstrukturen bricht.
Diese epistemologische Überwindung beschwört Bednarksy in ihrer jüngsten Serie, indem sie auf die eine oder andere Art immer wieder auf die Grenzen der offiziellen diskursiven Modi in der Darstellung von Information hinweist. Dies tut sie indem sie eine Eigenart der Sehens hervorhebt, nämlich: herum zu wandern. Hier werden malerische Auslegungen mimetisch in der Naturwelt verankert und doch verwehren sie sich der Taxonomie der wissenschaftlichen Ordnung durch atmosphärische, abstrakte Malerei. Die Fragmente die hierin arrangiert sind weigern sich stillzuhalten, winden sich in Vorausahnung der Kraft des sie schweifenden Sehfeldes. Unsere Gedanken schweifen beim Anblick dieser Bilder vielleicht zu der Vorstellung eines Jungens, dessen fantasievoller Blick auf den Flügeln einzeln aufgesteckter Schmetterlinge in einer Vitrine ruht und der die kleinen Tiere beschwört, sich gegen die ornamentale Pose aufzulehnen und auf wundersame Weise aus ihrem Schaukasten zu entrinnen.
Oft sind die Widrigkeiten des Sehens in dieser Malerei aber unzweideutiger. So bleibt zum Beispiel die Figuration diffus, während der Blick des Betrachters an einer tief durchtränkten, fast schon finsteren Oberfläche hängen bleibt; aber dennoch werden die Augen dazu angehalten, ihre Bemühungen nicht gänzlich aufzugeben. Anspielungen auf Kompetenz und Reichweite des Sehens fädeln sich durch das gesamte Werk, und rufen manchmal das Bedürfnis hervor, einfach das zu verpassen was da unter der Oberfläche glüht, oder sich in die statische Architektur quantitativer Daten zurück zu flüchten.
Ohne Zweifel steht viel auf dem Spiel: die Sinnhaftigkeit von Dokumentation in Anbetracht der leblosen Mechanismen didaktischer Kommunikation. Hat dann die Andeutung von Information vielleicht eine Qualität die der ernüchterten und blendenden Bloßstellung von Information fehlt? Bednarskys Arbeiten haben den Vorzug, derartige Fragen nur anzudeuten und sie nicht direkt zu stellen. Denn schließlich birgt auch der Vorhang nur die Möglichkeit, etwas dahinter zu sehen, ohne eine Garantie dafür zu geben dass man es auch wahrnimmt. Diese Ambiguität ist der Dreh und Angelpunkt der weitaus entscheidenderen Untersuchung zu den vielleicht spitzfindigen aber bemerkenswerten Unterschieden zwischen Information und Wissen.
Eric-John Russell
As much as one might cling to the confidence of their own sense-certainty, the structure of human perception is largely an objective affair. Information presented, in all of its heteronomy, is also the presentation of modes of knowing, more often than not organized within classifactory systems outlining the contours of perception itself. Despite this, faculties of vision yield a myriad of expectations not directly found within the intentions of informational structures. How one sees is not reducible to what one sees.
It is with this motif that the most recent work of Frankfurt-based Jagoda Bednarsky (born 1988) is here assembled under the moniker “Rules of Genre”. This alumni of the Staatliche Hochschule für Bildende Künste Städelschule is no stranger to referencing the systematic and institutional archiving of human knowledge, however her most recent work manages to develop these themes unto the terrain of vision, an inquiry implicitly calling into question the rigidity of standardized perceptions.
If classification refers to extrinsic limits of human knowledge, it is the wandering and ambitious eye that frequently breaks with the intention and trajectory of schematically organized informational structures. Bednarsky evokes this epistemological overcoming throughout her latest series, calling attention, in one way or another, to the limits of official discursive modes of representing information by emphasizing the wayfaring role of vision. Here, scenic expositions are mimetically grounded within the natural world and yet refuse the taxonomies of scientific organization through an evocative abstract painting. The arranged fragments therein are reluctant to sit still, squirming with the vitality anticipated by the field of vision. One can recall a young boy whose imaginative gaze upon the individually pinned butterfly collection solicits their wings to clamor against the ornamental pose and miraculously fly off from the display case.
Often however, the tribulations of vision are more explicit. For example, when observers cast attention upon a deeply saturated almost somber surface, figuration remains faint and yet the eyes are encouraged not to completely abandon their efforts. Clues to the authority and horizon of vision are embedded throughout the work, eliding the compulsion to simply miss what is fervently there, or regress back into the static architecture of quantitative data.
Undeniably, the stakes are the significance of documentation against the lifeless mechanisms of didactic communication. Might there be merit in the allusion of information, rather than in its disenchanted and blinding exposition? Bednarsky’s work possesses the virtue of only insinuating such questions and not asking them directly. After all, the curtains themselves only facilitate the possibility of something to be seen without guarantee. On this ambiguity pivots the more decisive inquiry on the perhaps subtle but compelling differences between information and knowledge.
Eric-John Russell