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Kunst, Kalauer und Kinderknete
Nimm es mit Humor: Arbeiten von Murray Gaylard in der Frankfurter Galerie Philipp Pflug Contemporary
Humor hat er, das muss man Murray Gaylard lassen. Das galt vor Jahren schon für die gleichermaßen ironische wie perfide Geste, mit der sich der junge Künstler, damals noch Student an der Frankfurter Städelschule, rotzfrech in die erste Liga des Kunstbetriebs einzuschreiben suchte. Was ihm letztlich auch gelang. „Look Mom, I’m famous“ lautete der Titel der mehrteiligen Arbeit, für die er sich in Interviews diverser Kunstmagazine mit gerade angesagten Künstlern einschrieb, indem er ihre Antworten mit Tipp-Ex löschte und seinen eigenen Namen sowie handgeschriebene Texte einfügte. Das Werk befindet sich heute im Frankfurter Museum für Moderne Kunst.
Seit diesem Zeitpunkt hat sich der 1974 in Südafrika geborene Künstler mit Performances ebenso einen Namen gemacht wie mit Interventionen im öffentlichen Raum, mit Collagen, Filmen und Assemblagen. Wenn der in Berlin lebende Gaylard sich nun in seiner mittlerweile zweiten Einzelausstellung in der Frankfurter Galerie Philipp Pflug Contemporary vorstellt, sollte man die Schau daher nicht allzu persönlich nehmen. Sonst macht es einfach keinen Spaß. Schließlich darf der Betrachter sich hier von einem Bild beschimpfen („Are you deaf?!?“), von einem anderen aufziehen („Art Collectors“) und von einem dritten veralbern lassen („Bad Hair Day“). Eine Arbeit wie „Seventeen Attempts“, siebzehn Versuche also, „mit einem einzigen Pinselzug eine Klitoris zu malen“, ist zudem sicher alles Mögliche, politisch korrekt aber nur bedingt. Nicht nur als Bekenntnis eines schwulen Künstlers aber ist das von einer Komik, wie man sie seit Martin Kippenberger nicht mehr allzu häufig findet im politisch meist kreuzbraven Kunstbetrieb der Gegenwart. Ein Werk wie die atelierfrische Serie „Stealing Art“, die Gaylard in Galerien und Museen wie der Neuen Nationalgalerie und dem Hamburger Bahnhof zeigt, führt derweil schnurstracks zu seinen Anfängen und zu „Mom, I’m famous“ zurück.
Auch hier lässt den Betrachter die Chuzpe schmunzeln, mit der Gaylard mit im Grunde dilettantischen Mitteln äußerst reflektiert über die Kunst und den Betrieb nachdenkt und dabei die auratischen Qualitäten eines Kunstwerks ebenso beschwört, wie er sie vorführt.
Bei aller Lust am Kalauer und klugen Witz allerdings: In Gaylards Kunstwerken ist der gelungene Coup, den „Stealing Anish Kapoor“, „Stealing Franz West“ und „Stealing Bruce Nauman’s Fluorescent Penises“ mit etwas Kinderknete, rotem Kerzenwachs und ein paar Strohhalmen ins hochkomische fotografische Bild setzen, immer nur die halbe Wahrheit seiner Kunst. Die andere Seite reflektiert stets das Scheitern. Und ob Gaylard als Micky Maus nach Paris ins Disneyland trampt und dort mangels korrekter Kleidung nicht eingelassen wird in das Kinderparadies, ob, bei Licht betrachtet, nicht ein einziger der „Seventeen Attempts“ wirklich glückt oder ob der Künstler den geschätzten Kunstbetrachter mit „einer kleinen Arbeit für den Balkon“ vor die Wahl „Jump – Don’t Jump“ stellt: Gerade hier, im Scheitern, zeigt sich sein ebenso frischer wie respektloser Humor.
Christoph Schütte, Frankfurter Allgemeine Zeitung 23. März 2016.