New Suprematism
Artworks
Information
Die Gruppenausstellung New Suprematism präsentiert sechs Künstlerinnen und Künstler, die in ihren ausgestellten Werken vielfältige Positionen zur Stilrichtung des Suprematismus behandeln. Das Konzept des Suprematismus entwickelte sich 1915 unter dem Einfluss von Kasimir Malewitsch und dem Anliegen, die Gesellschaft und die Kunst grundlegend zu verändern. Vor dem Hintergrund großer gesellschaftlicher Herausforderungen erschuf Malewitsch das Schwarze Quadrat und legte mit ihm und seiner „Null-Form“ einen Meilenstein für die Kunst. Das neue Ideal setzte auf geometrische Reduktion sowie auf die Verwendung reiner, monochromer Grundformen auf weißem Grund, die auf eine „Suprematie der reinen Empfindung“ und das Auslöschen jeglicher optischer Verweise auf die bekannte Welt setzen solle. Genau 100 Jahre später widmet sich die Gruppenausstellung New Suprematism dieser besonderen Stilrichtung. In ausgewählten Werken stellen die Künstlerinnen und Künstler Bezüge zum Suprematismus her.
In ihrem Gemälde strspctrnty1915 beschäftigt sich Jagoda Bednarsky so mit der Formensprache des Suprematismus, die sie in ihrer Art weiterführt. Sie kombiniert figurative und abstrakte Ansichten, wodurch sie eine neue Wirklichkeit erschafft, in der verschiedene Bedeutungs- und Bildebenen übereinander gelagert werden. Während eine klar erkennbare, dennoch abstrahiert dargestellte Treppenansicht gezeigt wird, erinnern untereinander versetzt angeordnete dreieckige Elemente eigefasst in einem quadratisch eingezeichneten Rahmen, an die technisch-geometrische Formensprache des Suprematismus.Trotz der Statik des Bildes wird dem Betrachter anhand einer Variation der Winkel und der Komponenten Bewegung und Dynamik vermittelt. Der Hintergrund der Szene verleiht dem Raum durch eine Variation an schattenhaften Farbtönen und Techniken eine unendlich erscheinende Tiefe und Unklarheit. Der in ihrem Werk bestehende subjektive Realismus erscheint dem Betrachter in seiner Form und Farbigkeit als ein mystisch und undurchdringlich erscheinendes Gebilde.
Inga Danysz legt den Schwerpunkt ihres Werkes auf dreidimensionale Objekte, die zwischen Bild und Skulptur angesiedelt sind. Zur Zeit des Suprematismus beschäftigte sich schon Wladimir Tatlin mit den von ihm neu erdachten skulpturalen Objekten, die ohne Sockel und an der Wand angebracht wurden- sogenannten Konterreliefs. Das Objekt Silicone Painting No.10 wurde unter der Verwendung von reinen geometrischen und reduzierten Grundformen kreiert. Danysz spielt mit dem Verhältnis von Formen sowie mit dem Gleichgewicht von Kompositionen.Volumen und Haptik des Materials sind wichtige Parameter ihres Schaffens. Mithilfe von Farbe und Komposition werden Beziehungen zwischen den beteiligten Formen, Farben und Materialien manipuliert, die sich direkt in den realen Raum eingliedern. Durch einen Verzicht auf die Nachahmung der Wirklichkeit wird der Betrachter gezwungen, sich auf eine reine Komposition und Anordnung der Elemente zu konzertieren. So lösen im Grunde triviale Formen eine Gefühlsreaktion beim Betrachter aus und führen zum „Kern der reinen Erfahrung.“
Außergewöhnlich erscheint die Installation des Künstlers Tobias Donat: Majestätisch thront eine Familie weißer Bengal-Tiger in zwei versetzt angeordneten Metallregalen. Das Farbschema der Arbeit spielt in Donats Installation eine dominante Rolle- es passt sich suprematistischen Grundprinzipien hervorragend an. Primärfarben und die „Unfarben“ Schwarz und Weiß symbolisierten für Suprematisten ihrer Zeit Reinheit und Klarheit und eine sich daraus eröffnende Möglichkeit zu einer gesteigerten Wahrnehmung hinsichtlich Raum und Zeit. Bezogen auf die Malerei eröffnete Malewitsch, dass Farbe und Textur von allergrößtem Wert seien, um dem Bildinhalt näher kommen zu können. Donat geht hier noch einen Schritt weiter. Er stellt glatte, statische Metallregale, die einen eigenen Raum eröffnen, naturalistischen, fast kitschigen Tigerfiguren gegenüber, die sich in jenem Raum bewegen. Bei den zusammengestellten Fragmenten handelt es sich um vom Künstler bereits vorgefundene Objekte, um Objets Trouvés. Donat bewegt sich so in einem Spannungsfeld zwischen Suprematismus, Marcel Duchamps Erbe und zeitgenössischer Kunst.
Spektakel, Feuer, und Sprengung sind wichtige Elemente im Schaffensprozess von Sandra Kranich. Als ausgebildete Pyrotechnikerin beschäftigt sie sich schon lange mit dem Feuerwerk in ihrer Kunst. Übrig bleibt nach der Sprengung das nun fertige, durch Zufall und Berechnung gerußte Metallkonstrukt. Auch Modul 2L/1 ist von Kranich im Vorfeld gesprengt worden. Die dreidimensionale Skulptur bringt den Betrachter dazu, sich auszumalen, was mit ihr passiert ist, wie die Sprengung wohl ausgesehen haben könnte, welche Energie von ihm ausgegangen sein mag und wie die Transformation ausgesehen haben könnte. Das Objekt Modul 2L/1 selbst ruht im Gleichgewicht und scheint mit Gegensätzen zu spielen. Das goldene Metall strahlt gleichzeitig Kälte und feurige Hitze aus, es wirkt statisch und dynamisch zugleich und die Färbung, der Ruß, ist durch Zufall, sowie durch Kalkül entstanden. Die Form der Skulptur ist abstrakt und suprematistisch. Kranich vereint in ihrem Werk Poesie, Romantik,Wissenschaft, Technik, Konkretes und Abstraktion.
Michael Pfrommer kreiert in seinen malerischen Ansichten hingegen neue Wirklichkeiten. Während seine Darstellungen nahe dem Figürlichen bleiben, erschafft er oft abstrakt erscheinende Blickwinkel auf die von ihm wahrgenommene Realität, die oftmals geheimnisvoll, skurril, oder auch humorvoll erscheint. Um mehr Raum für eine unvoreingenommene Betrachtung und Interpretation zu lassen, lässt der Künstler die Betitelung der Gemälde, wie auch bei dem ausgestellten Werk Ohne Titel, bewusst offen. Oft wiederholt er Motive und stellt seine Werke gerne in Clustern gegenüber, um sie in einen Dialog treten zu lassen. Eher ungewöhnlich ist daher das einzeln ausgestellte Bild Ohne Titel. Der monochrome Hintergrund ist unklar und besteht aus verschiedenen Abstufungen von blau und grün. Im Zentrum des Bildes ist eine violette Silhouette erkennbar, die in ihrer Verjüngung in der Mitte des Bildes an die Taille einer weiblichen Person erinnert. Die Momentaufnahme wirkt unklar und verschwommen. Pfrommer offenbart wenig Genaues. Versteckte Bedeutungen, die augenscheinlich Wahrheiten beinhalten, entziehen sich dem Auge des Betrachters.
You give me Fever (raz, dwa und tri) ist der Titel der Werkgruppe von Martin Wenzel und spielt darauf an, dass die skulptural dargestellten Mobilfunkantennen dem menschlichen Hirn bei direkter Bestrahlung ein Fieber von 42 Grad Celsius suggerieren. Unsichtbare Strahlung, oder spezifischer: Mobilfunk, Internet und Datenübertragung sind sicherlich wichtige Bestandteile der drei von ihm ausgestellten Objekte. Angebracht auf Häuserdächern bleiben sie dem Menschen meistens unsichtbar und spielen trotzdem eine große Rolle im Alltagsleben eines jeden. Weiterhin spielt Wenzel mit ihrer nach einer reinen funktionell ausgerichteten, außergewöhnlichen Ästhetik, die sich aus geometrischen, suprematistischen Formen ergibt und mit den spezifischen Bestandteilen ihrer Beschaffenheit. Dazu gehören verschiedene Metalle wie Coltan, die eigens für die Anfertigung solcher Apparate aus der Erde entnommen werden müssen. Wissenschaftliche, technische und soziale Aspekte vereint er mit persönlichen Anekdoten, wie dem Materialkreis seiner Favoriten der letzten Werke oder seiner eigenen Körpergröße. Wenzel, der sich selbst als Bildhauer beschreibt, stellt die Materialität der Skulpturen allem voran. Holz, Metall, Keramik und Gießharz bilden eine eindrückliche Symbiose.
Die Ausstellung New Suprematism ehrt dem Schaffen der Meister der russischen Avantgarde in ihrer Signifikanz für die Kunstgeschichte bis heute und offenbart zudem neue und vielfältige Ansätze zur Ansicht eines, wie der Titel schon sagt, „neuen Suprematismus“. Die Künstlerinnen und Künstler kombinieren Ideale und ästhetische Grundsätze der Suprematisten mit neuen Ausdrucksmöglichkeiten wie Objets Trouvés, zeitgenössischer Malerei oder minimalistischen Ideen. Gegenständliches wird mit Abstraktem durchmischt und erschafft neue Erkenntnisse und Perspektiven auf die Welt. Die Bandbreite der Darstellungen und der verwendeten Medien in der Ausstellung zeigt weiterhin eine neue Option auf: Die zeitgenössische Kunst bietet dem Künstler einen immensen Spielraum, eine nach Malewitsch „grenzenlose Freiheit“. Wahrscheinlich war es mit unter der Suprematismus mit seinem befreienden, utopischen Potential, der ihr dies in seiner Relevanz durchweg für alle zukünftigen Kunstströmungen ermöglicht hat.
Suska Pielhoop