Michael Pfrommer
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Als Michael Pfrommer noch ein Kind war, lief er – auf der Flucht vor seinem Vater – mit dem Arm durch die Glasscheibe einer Türe. Das Glas schnitt so tief und glatt durch den Rücken seiner linken Hand, dass es kaum blutete, und in der Öffnung dieser Wunde konnte er sehen, wie sich seine immer noch unversehrten Sehnen dehnten, wenn er die Finger bewegte. Der Schnitt weigerte sich zu verheilen, warum auch immer, und als drei Wochen später die Nähte gezogen wurden, klaffte die Haut sofort wieder auseinander. Aus einer Reihe von Gründen vermute ich, dass eine Türe für Michael mehr darstellt, als bloß einen Gegenstand, auf dem man malen kann. Er hat ein Bild jenseits der Oberfläche erzeugt, einen Ort an den man gelangt, ohne vorwärts zu gehen, ohne eine Schwelle zu überschreiten; und so bietet er nun gewissermaßen den Ausweg an, den er einst gesucht hat. Eine Türe ließ ihn im Stich. Sie wurde zu der Art von Bestrafung, der er zu entgehen versuchte, und jetzt hat er sich daran gemacht, einen Raum mit Bildern auf Türen zu füllen, die nirgendwo hinführen, die nichts verschließen, und sie stehen halboffen in unserer Mitte, damit wir sie betrachten und gleichzeitig einen Blick auf die andere Seite werfen können. An der Wand befestigt, sind sie ebenso groß wie wir, zweiseitig, scheinbar im Gespräch, und bieten von jedem Platz des Raumes aus gesehen eine neue Ansicht.
Auf diese Türen hat er Füße gemalt, die die Treppe im Haus, in dem ich aufwuchs, herunterkommen, Pilze, und unsere Tochter, verloren in den Falten einer Decke. Er hat Hosen gemalt, die im Gras knien, in das sie ihm zufolge gefallen sind, Hosen, die auf mich stets wirkten, als würden sie auf ihre Hinrichtung warten. Er setzt häufig Wasser ein. Wasser durchflutet seine Bilder in endlos veränderlichen Formen, läuft über Gehwege, fällt die Treppe hinunter, füllt und trägt Tassen und Matratzen. Wasser, das sich oft unmöglich vom Himmel trennen lässt. Er hat Wellen gemalt, die wie ein wogendes Laken auf den Strand treffen. Wellen, die in seinen Gemälden und Zeichnungen bisweilen die Körper von Menschen bedecken. Menschen, die uns an die Welt erinnern, in der wir leben und an die Orte, die wir definieren. In seinen Bildern stellt Michael das Leben manchmal auf einfache dann wieder auf äußerst präzise Art und Weise dar, führt es ohne nachweisliche Absicht weiter aus. Er zitiert und rezitiert Bilder und Situationen aus unserem kollektiven Gedächtnis, Dinge, die um uns herum, die uns, die zwischen uns passieren. Kleidungsstücke, Körper, Straßen, Stillleben, alles mit dem er arbeitet, wird zu einem Symbol, das Zeugnis ablegt von dieser Zeit und diesem Ort, dem Leben, das wir als Volk mit unbegrenzt-individuellen gemeinsamen Interessen und Gefühlen führen.
Als ich eines Abends mit meinem Fahrrad unterwegs war, vollführte ich einen plötzlichen Schlenker, um einem Handschuh auszuweichen, den jemand mitten auf der Straße verloren hatte, getrieben vom Impuls, nur ja nicht über eine Hand zu fahren. Wir steuern durchs Leben und reagieren dabei auf die visuellen Anhaltspunkte, die wir gelernt haben zu interpretieren, und die wir ebenso erfolgreich gelernt haben, bewusst zu vergessen. Dies sind die einzigen Instrumente, derer es bedarf, um Michaels Arbeiten zu betrachten; es sind die Instrumente, die er vorzieht, egal was das Ergebnis sein mag. Zuallererst sehen wir in Bildern das, was wir unwillkürlich sehen müssen. Ich glaube, dass der Impuls, der durch den ersten Kontakt hervorgerufen wird, unsere Sehnsüchte und Absichten bestimmt, da wir unbewusst die Welt definieren, mit der wir konfrontiert sind.
Als Arshile Gorkys Frau, Agnes Magruder, eines Tages vom Küchenfenster aus sah, wie ihr Mann, mit einem um die Schulter geschlungenen Seil sein Scheunen-Atelier in Richtung Hügel verließ, um sich dort an einem Baum zu erhängen, sagte sie den Kindern sie sollten ihm nachlaufen und sich beeilen, da Papa ihnen eine Schaukel bauen würde.
Adrian Williams
Übersetzung: Alexandra Titze-Grabec
When Michael Pfrommer was a child he ran his arm through the glass pane of a door while trying to escape his father. The glass cut the back of his left hand so deep and clean it hardly bled, and he could see his tendons still intact in the mouth of the wound tugging when he moved his fingers. The cut, for whatever reason, refused to heal, and when the stitches came out three weeks later the skin immediately pulled apart. For a number of reasons I figure that a door is more to Michael than just an object to paint on. He’s made an image beyond the surface, a place you arrive at without stepping forward and crossing a threshold, and in doing so he might in some way offer the exit he once sought. A door failed him. It became the sort of punishment he was trying to escape, and now he’s gone and filled a room with pictures on doors that lead nowhere, close nothing, and stand ajar in our midst to look at and beyond. Affixed to the wall, they stand as tall as us, two sided, in conversation it seems, establishing a new order from every corner of the room.
On these doors he’s painted feet descending the staircase of my childhood home, mushrooms, and our daughter lost in the folds of a blanket. He’s painted pants kneeling in the grass that he claims have fallen, pants that I’ve always thought were awaiting execution. He uses water a lot. Water, in endlessly malleable forms flood his pictures, drip down sidewalks, fall down stairs, fill and carry cups and mattresses. Water, which may be at times impossible to separate from the sky. He’s painted waves that meet the shore like a rippling sheet. Waves, that in his paintings and drawings sometimes cover the bodies of people. People that remind us of the world in which we live and the spaces we define. In his pictures Michael both simply and painstakingly depicts life, elaborating on it without an evident agenda. He cites and recites, images and situations we remember collectively, things that happen around us, to us, between us. Clothes, bodies, streets, still lives, everything he works with become symbols that speak baring the evidence of this time and place, the life we lead as folk with infinitely-individual common interests, and sentiments.
While riding my bike one night, I swerved to avoid a glove that was lost in the middle of the street, because I was overwhelmed by the impulse not to drive over a hand. We navigate life in response to the visual cues that we’ve learned to interpret, and just as successfully, learned to consciously forget. These are the only tools required to consider Michaels work, they are the tools that he prefers no matter what the outcome. We initially see in pictures, what we cannot help not seeing. I believe that the impulse evoked on first encounter dictates our desires and our intentions as we unconsciously define the world that we’re confronted with.
When Arshile Gorkys wife, Agnes Magruder, saw her husband one day from the kitchen window leaving his barn studio with a rope slung over his shoulder, heading up the hill toward a tree to hang himself, she sent the children running after him and told them to hurry because daddy was building them a swing.
Adrian Williams