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The Long Way to the Studio
Das Werk von Alexander Wolff thematisiert vornehmlich die Malerei selbst, somit das komplexe Verhältnis von Farbe und Form, dem Zusammenspiel von Bildträger und Farbauftrag, sowie Erscheinungsformen und Möglichkeiten der Malerei. Dabei experimentiert er zumeist mit verschiedenen Techniken und Herangehensweisen innerhalb bestimmter Parameter, und sucht nach ihm unbekannten Formen und Bedeutungskonstruktionen, um so neue Bilder entstehen zu lassen, bei gleichzeitiger Verknüpfung mit der äußeren Welt. Er arbeitet parallel an unterschiedliche Ansätzen mit einer ungezwungenen und spielerischen Herangehensweise, die aber auch geprägt ist durch ein großes theoretisches Wissen und Kenntnis der verschiedenen Traditionen. So zeigen sich in der vorliegenden Ausstellung Analogien im Vorgehen und Denken zu Jasper Johns, Christopher Wool und Heimo Zobernig, im Umgang mit Schrift als ideellem Motiv, dem Raster als Organisationsprinzip der Bildfläche und der Abstraktion im Rahmen konkreter Fragestellungen. Zudem ermutigt Alexander Wolff mit seinen Werken den Betrachter zur Reflektion der physischen Eigenschaften von Farbe, zur Bewusstwerdung des Malprozesses und der essentiellen Elemente des Mediums.
Den Großteil der aktuellen Gemälde entwickelt Alexander Wolff ausgehend von chinesischen Schriftzeichen. Die Schriftzeichen, in verschiedenen digitalen Typografien angewendet, sind für Alexander Wolff Möglichkeiten eines Formenvokabulars und grafisches Material, mit denen er die Kompositionen konstruiert, in denen die Schriftzeichen mal mehr, mal weniger deutlich zu erkennen sind und sich in Farbe, Form und Flächen der Malerei fast aufzulösen scheinen. Der Vorgang selbst ist weder sichtbar noch exakt nachvollziehbar, dennoch scheint man vereinzelt der freien Choreografie folgen zu können.
Als Mitherausgeber eines Fanzines zu zeitgenössischer Kunst, Theorie und Gesellschaft befasst sich Alexander Wolff seit längerem mit Schriftgestaltung. Jede Ausgabe der Zeitschrift ist in einer anderen Typografie gedruckt und trägt deren Namen als Titel; Schrift wird ihn ihrem Ausdruck als inhaltliches Medium verstanden. Aus diesem Verständnis sind es die ästhetischen und expressiven Aspekte der chinesischen Zeichen, die ihn faszinieren und interessieren. Hingegen ist Kalligraphie die Kunst des schönen Schreibens. Wichtiger als die Leserlichkeit ist hierbei in der asiatischen Tradition die Erzielung perfekter ästhetischer Ausgewogenheit und das Sichtbarmachen von Emotionen, die in einer präzisen Geste ausgeführt werden. Trotz ihres eher konstruktiven Ansatzes lässt sich Wolffs Auseinandersetzung mit den Schriftzeichen und das Überführen in ein harmonisches Gesamtbild durchaus mit der eines Kalligraphen vergleichen. Die Zeichen erfahren einen Funktionswechsel, da sie unabhängig von ihrer Bedeutung zu einem neuen Bild werden.
Ein wiederkehrender Ansatz Alexander Wolffs sind die aus alten Leinwänden und zum Abstreifen des Pinsels benutzen Lappen, die zerschnitten und neu arrangiert zusammengenäht und auf Keilrahmen gespannt werden. Diese Arbeiten folgen zum Teil einer strengen Geometrie, bedingt durch die geraden Nähte und die monochromen und bunten Flächen, die wiederum spielerisch die Strenge konterkarieren. Die Technik dieser Werkgruppe erinnern mich wiederum an Ranru bzw. Boro. Ranru ist eine alte japanische Tradition und Technik, entstanden aus der Not der armen Landbevölkerung und der Notwendigkeit, jedes verfügbare Tuch zu verwenden. Teure Baumwollstoffe waren der Oberschicht vorbehalten, als alte, abgetragene und verschlissene Stoffe, Kleidung oder Lumpen gelangten sie preisgünstig in die Hände der japanischen Landbevölkerung, die diese zum Teil in übereinanderliegenden Schichten zu Decken, Jacken und Hosen nähten, die so zu ästhetischen eindrucksvollen Kleidungsstücken wurden.
„The Long Way to the Studio" beschreibt einen zeitlichen Vorgang, die Entwicklung einer Angelegenheit auf lange Sicht, in Verbindung mit einem ersehnten Ziel. Das Atelier erscheint hier wie ein Sehnsuchtsort, an dem man den Alltag hinter sich lässt, um sich ganz dem produktiven Schaffen zu widmen.
„Von außen betrachtet ist das Studio häufig ein überhöhter Ort. Selbst in meiner Vorstellung erscheint mir mein eigenes Atelier manchmal auch so, denn in der ganzen Messiness des Daseins, hat die dortige Tätigkeit etwas Klares. – Andererseits ist es aber auch genau das Leben drumherum, was diesen Ort (bzw. das Werk) erst mit Inhalten oder Bezügen anfüllt. Es gäbe ja ohne das Leben keine Kunst zu machen, und irgendwie spiegelt sich der Weg in dem Ziel, so dass der Weg einfach manchmal lang sein muss, damit im Atelier etwas entsteht.“ (A.W.)
Somit ist das Atelier für Wolff ein räumlich definierter Ort des Rückzugs und kreativer Denkraum, um sich mit sich und der Welt, und mit sich in der Welt auseinander zu setzen, die Welt auf vielfältige Weise anzuschauen, zu beschreiben, zu deuten und sie auf diese Weise auch neu zu erschaffen. „The Long Way to the Studio“ beschreibt aber auch, dass Geduld und Ausdauer, also sich einer Sache eine lange Zeit und ohne Nachlassen des Interesses zu widmen, entscheidende Faktoren sind. In diesem Sinn ist die vorliegende Ausstellung als kontinuierliche Weiterführung einer Hinterfragung und Befragung des Künstlers der Abstraktion und der Möglichkeiten der Malerei zu verstehen, unter Vermeidung einer eindeutigen Definition des Ziels.
Bernd Reiss
The Long Way to the Studio
Alexander Wolff’s work primarily addresses painting itself, and with it the complex relationship between color and shape, between the image ground and the application of paint, as well as the possible forms of and possibilities inherent in painting. He usually experiments with different techniques and approaches within set parameters, searching for shapes and constructions of meaning he is unfamiliar with in order to give rise to new images that are simultaneously connected to the outside world. He works on several approaches at once, tackling each with a playful and unceremonious attitude that is nevertheless shaped by his great theoretical knowledge and familiarity with various traditions. The present exhibition thus also shows analogies in approach and thinking to Jasper Johns, Christopher Wool and Heimo Zobernig, in its use of writing as an ideational theme, the grid as an organizing principle of the picture surface, and abstraction in the context of concrete questions. Further, with his works Alexander Wolff prompts his audiences to reflect on the physical properties of paint and color, to consider the painting process and the essential elements of the medium.
Alexander Wolff has developed a large part of his current paintings on the basis of Chinese characters. For Wolff these characters, which feature in a range of digital typographies, provide graphic material and possibilities for a formal vocabulary that he employs to construct his compositions. In these, the Chinese characters can be made out more or less clearly each time while appearing to dissolve in the colors, shapes, and surfaces of the painting. The painting process itself is neither visible nor can it be precisely traced, yet in some cases we feel as though we are able to follow the loose choreography.
As the co-editor of a fanzine on contemporary art, theory and society Alexander Wolff has been working with font design for a long time. Every edition of his magazine is printed in a different font and also titled after this respective font; he sees writing in its formal execution as a medium of expression. His fascination and interest in the aesthetic and expressive aspects of Chinese characters is based on this understanding. Calligraphy on the other hand is the art of writing beautifully. In this Asian tradition, achieving perfect aesthetic balance and visualizing emotions through precise gestures are more important than legibility. Despite his rather constructive approach, Wolff’s engagement with the characters and his work to translate them into a harmonious whole does have things in common with the work of a calligrapher. The characters undergo a shift in function as they become a new image detached from their meaning.
Alexander Wolff frequently cuts old rags he has used to wipe his paint brush into pieces and rearranges them, sews them together and stretches them onto a stretcher frame. In part these works follow a strict geometry achieved through the straight seams and the monochrome and colorful surfaces, which in turn playfully counteract the rigorous formal structure. The technique used in this work group is reminiscent of Ranru, also referred to as Boro. Ranru is an old Japanese tradition and a technique that arose out of the plight of the rural poor and their need to use any available cloth. Expensive cotton fabrics were reserved for the upper class, but as old, worn and threadbare fabrics, clothes or rags they found their way into the hands of the Japanese rural population at a low price, which layered them to create blankets, jackets and trousers – sometimes to aesthetically impressive results.
“The Long Way to the Studio” describes a temporal process, the development of a matter in the long term, in connection with a desired goal. The studio here appears like a place of longing, where you can leave everyday life behind in order to devote yourself entirely to productive creation.
“People often idolize the studio and what goes on in there. Even in my imagination my own studio sometimes appears like that, because amidst the whole messiness of our existence the work I do there has a sense of clarity. – At the same time it is precisely the life outside that fills this place (or the work I do there) with content and references in the first place. Without life there would be no art to make, and somehow the journey is reflected in the destination, so sometimes the journey has to be long in order for something to emerge in the studio.” (A. W.)
This makes Wolff’s studio a spatially defined place of retreat and creative thought, a place to figure out oneself and the world, and oneself in the world, of understanding and describing and interpreting the world in different ways and in this way also recreating it. “The Long Way to the Studio” also describes how patience and perseverance, i.e. dedicating oneself to one thing for a long time and without slackening interest, are decisive factors. In this sense the present exhibition must be understood as continuing the artist’s inquiry into and questioning of abstraction and the possibilities of painting, an undertaking in which he purposely refrains from clearly defining pre-set goals.
Bernd Reiss